22. April 2012

Runaway Bride/3





Inmitten der Schwierigkeit liegt die Möglichkeit.
Albert Einstein

Am nächsten Tag traf sie sich nach dem Unterricht erneut mit ihrer Mutter.
Sie waren zum Mittagessen verabredet und wollten weitere Einzelheiten absprechen.
Die Location für die Feier war bereits gebucht. Das Datum für die Trauung stand auch schon fest, die Einladungen waren bereits verschickt und Kat kannte über die Hälfte der Gäste nicht einmal.
Aber nun war es zu spät sich darüber zu ärgern. Warum hatte sie es auch zugelassen ihre Mutter als Wedding Planerin das Zepter in die Hand zu geben.
Nun musste sie mit dem Desaster leben.

Jetzt ging es nur noch um die Feinheiten und Kat entschied sich, es einfach über sich ergehen zu lassen.
Sie hatte sich ihre Hochzeit ein paar Nummern kleiner vorgestellt, aber dann lief irgendwie alles aus dem Ruder.

Nun saß sie in der gemütlichen Küche ihrer Mutter und löffelte ihren Gemüseeintopf, während Diana auf sie einredete und ihr einen Stapel Brautmagazine auf den Tisch legte.

Kat blätterte lustlos in einer der Zeitschriften.
Mittlerweile hatte sie auch schon ein schlechtes Gewissen.
Sie sollte sich eigentlich auf ihre Hochzeit freuen und anfangs tat sie das auch, aber nun beschlich sie das Gefühl, dass es falsch war.
Sie liebte Ben schließlich. Oder etwa nicht?
Wieso war sie bloß so durcheinander? Ging es allen Bräuten so?


Nach zwei Stunden verließ sie das Haus ihrer Mutter und machte sich auf den Heimweg.
Ben war in der Kanzlei und sie war allein zuhause.
Sie kochte sich einen Kaffee, öffnete sie Terrassentür und lies frische Luft hinein.
Die Sonnenstrahlen tauchten das Wohnzimmer in ein warmes Licht und die Wärme, gab ihr ein angenehmes Gefühl.

Ihr Vorhaben Klassenarbeiten zu korrigieren verschob sie auf später.
Sie kramte in tief in ihrem Schrank nach einer alten CD, doch sie konnte sie nicht finden.
Stattdessen stieß sie auf eine alte Box, der sie schon Jahre keine Beachtung mehr geschenkt hatte.

Sie zog die Schachtel aus der hintersten Ecke des Schrankes und stellte sie vor sich auf den Boden.
Dann setzte sie sich im Schneidersitz auf die braunen Holzdielen, zog ihre schwarze Strickjacke aus und feuerte sie hinter sich.

Sie atmete einmal tief durch und legte die Finger zaghaft um den Deckel.
Kurz bevor sie die Box öffnen wollte, klingelte es an der Tür.

Sie stand seufzend auf und öffnete die Tür.

Mit einem strahlen im Gesicht begrüßte sie Katja, ihre älteste Freundin.

Die beiden umarmten sich und Katja trat ein.

„Ich freu mich, dass du wieder da bist. Zwei Monate ohne dich. Ich weiß gar nicht, wie ich das überlebt habe.“

Katja lachte und ihre blauen Augen leuchteten freudig.

„Wie ich sehe hast du ganz gut überlebt. Du siehst gut aus. Was macht die Brautkleider suche?“

Kat verdrehte die Augen.
„Frag einfach nicht!“

„So schlimm?“

„Schlimmer.“, antwortete Kat.

„Gut dann erst mal Themawechsel. Ich habe etwas mit dir vor.“

Kat ging in die Küche und goss zwei Tassen Kaffee ein. Dann schnappte sie sich die weißen Auflagen und ging auf die Terrasse.
Katja folgte ihr.
Als Kat sich umdrehte fiel ihr Blick auf Katjas Bein.

„Um Himmelswillen, was ist denn passiert?“

Katja schüttelte grinsend den Kopf.

„Das dir das auffällt.“, sagte sie leicht ironisch.

Kat war ihr einen entschuldigenden Blick zu.

„Ich war doch für diesen Artikel unterwegs. Deutschlands Funparks.
Ich habe die Ski Indoorhalle getestet und bin beim Skifahren ganz elegant auf die Nase gefallen. Kreuzbandriss.“

Katja war Journalistin für ein Reisemagazin und war aufgrund des Jobs häufig unterwegs.

Kat seufzte.
„Das tut mir leid. Musst du operiert werden?“

Katja strich sich eine Strähne ihres lockigen schwarzen Haars hinter die Ohren und sah nicht gerade begeistert aus, als sie antwortete.

„Ja, ich habe nächste Woche schon einen Termin und danach dann auch noch sechs Wochen Reha und damit wäre ich auch schon bei meiner bitte.“

Kat blicke sie interessiert an.

„Ich soll für das Magazin einen Artikel über Seabrook schreiben und ich kann wegen der OP nicht fliegen.
Mein Chef ist sauer und braucht Ersatz. Ich hab ihm gesagt ich wüsste da jemanden.“

Kat sah sie erschrocken an.

„Du meinst doch wohl nicht mich?“

Katja wirkte etwas zerknittert.

„Doch!
Ich weiß doch das du schon mal da warst und dieses tolle Foto von dir.
Ich weiß, dass du das kannst. Du warst die Erste, die mir in den Sinn kam.
Ich bin fotografisch eh eine Niete und du würdest mir wirklich den Arsch retten.
Am Text können wir auch zusammen arbeiten, aber ich bin mir sicher, dass du das auch so hinbekommst.
Bitte Kat.
Ich brauche diesen Job.
Wenn ich für diesen Artikel keinen Ersatz finde, schmeißt er mich raus. Das Magazin hat ein paar Werbeaufträge aus South Carolina bekommen und dafür müssen wir einen ausführlichen Artikel bringen.“

Kat lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und schloss kurz die Augen.

„Ich habe hier aber auch meine Arbeit und wie stellst du dir das vor?“

„Ich habe mich bereits erkundigt. Es würde genau in deiner Sommerferien fallen.“

„Aber ich habe eine Hochzeit zu planen.“

Katja seufzte und nahm kein Blatt vor den Mund.

„Hör zu, Kat. Ich sage dir das nur einmal.
Das ist eine einmalige Chance für dich. Deine Hochzeit ist doch schon fast durch organisiert und außerdem ist sie erst nach den Sommerferien und vorher hast du auch genug Zeit.
Ich weiß doch, dass du nicht glücklich bist.
Das sieht ein Blinder.
Ben ist ein netter Kerl, aber bist du dir sicher, dass er der richtige für dich ist und du dir nicht selber etwas vormachst?
Da hast du endlich mal die Zeit fern von allem deinen Kopf frei zu bekommen.
Einen besseren Zeitpunkt hätte es nicht geben können.
Ich denke ich tue dir damit einen gefallen.“

Kat entglitten die Gesichtszüge.
So offen hatte selbst Julie nicht mit ihr geredet.
Katja war die einzige die es aussprach.
Und die Worte so offen zu hören kamen einer Ohrfeige gleich.
Hatte sie wirklich Recht?

„Wie kannst du sowas sagen? Ich bin…ich weiß nicht…“, stotterte sie aufgebracht.
Kat wusste einfach nicht was sie erwidern sollte.

Katja nahm ihre Tasche und legte ihr alle Reiseinformationen auf den Tisch. Dann nahm sie ihre Krücken und verschwand Richtung Haustür.

„Lass es dir durch den Kopf gehen und ruf mich an.“, rief sie noch.

Doch Kat folgte ihr.
Kurz bevor Katja die Tür erreichte fragte Kat:

„Wie kommst du darauf, dass Ben nicht der Richtige ist?“

Katja drehte sich um und blickte ihre Freundin mitfühlend an.
Sie hob die Hand und strich sanft über den kleinen Anhänger an Kats Halskette.

„Dann würdest du den hier nicht mehr tragen.“

Damit verschwand sie und lies eine aufgewühlte Kat zurück.
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