16. April 2012

Runaway Bride/2


-2-

Die Antwort zu unseren Problemen kommen aus der Zukunft und nicht von gestern.

(Frederic Vester)

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Nachdem Kat sich von Julie verabschiedet hatte, schlenderte sie allein die Alster entlang.Sie beobachtete die Segelbote und das bunte Treiben.
Der Frühling lockte die meisten Menschen ins Freie. Alles blühte und die Lebensgeister wurden geweckt.
Die Bäume trugen bereits ein paar Blätter und eigentlich ließ sie sich gern von der guten Frühlingsstimmung anstecken.
Sie setzte sich ins Gras und genoss ein paar Minuten die Sonne.
An einer Ecke des Ufers schwamm unter den Blättern einer Trauerweide ein Schwanenpaar mit ihren Jungen vorbei.
Eins der Küken kletterte auf den Rücken der Mutter und versteckte sich unter einem Flügel. Ein anderes tat es ihm gleich.
Kat musste lächeln und hätte gern ein Foto von dem Szenario geschossen.
Mit einem Schlag wurde ihr klar, dass sie ihre große Leidenschaft aufgegeben hatte.

Sie wollte als Kind schon Fotografin werden. Sie hatte ein natürliches Talent und in ihrer Jugend viele Aufnahmen gemacht, alles was ihr vor die Linse kam wurde abgelichtet.

Sie hatte sogar einen Preis bei einen Fotowettbewerb der National Geografic gewonnen.

Damals mit neunzehn.

Sie hatte sich bereits für ein Fotografie Studium eingeschrieben und sich am Ende doch anders entschieden.
Wehmütig blickte sie zurück. Was wäre gewesen, hätte sie sich anders entschieden?

Stattdessen wählte sie den vernünftigen Weg. Den Weg den ihre Mutter für sie gewollt hatte.Sie studierte English und Geschichte und wurde Lehrerin.Ihr Studium hatte sie letztes Jahr abgeschlossen und unterrichtete seit dem die fünfte und sechste Klasse eines Hamburger Gymnasiums.
Der Job machte ihr zwar Freude aber die Erfüllung war es dennoch nicht.
Es war einfach nicht ihr Weg.

Sie schüttelte den Kopf und seufzte.

Was war bloß los mit ihr?

Sie erhob sich, streifte sich ihre Tasche über und machte sich auf den Heimweg.
Sie lebte in einer netten Altbauwohnung am Stadtrand. Das Haus hatte einen wunderbaren Garten und war der perfekte Rückzugsort aus dem stressigen Treiben der Stadt. Sie mochte die Stadt und ihre Möglichkeiten zwar, aber zum entspannen bevorzugte sie die Ruhe der Natur.

Sie öffnete die Wohnungstür und rief:„Hallo? Jemand zuhause?“
„Ich bin hier draußen.“, bekam sie als Antwort.

Sie schmiss Jacke und Tasche in die Ecke der Garderobe und ging auf die Terrasse.
Ben saß in einem Liegestuhl und hatte seinen Laptop auf dem Schoß.Er lächelte sie an und schob ihn zur Seite.

Kat beugte sich hinunter und gab ihm einen kurzen Kuss auf den Mund. Dann setzte sich zu ihm und er zog sie in seine Arme.
„Wie war es mit deiner Mutter?“, fragte er.
Kat seufzte und schloss die Augen.
„Acht Brautkleider! Keins gefiel uns und nachdem sie mich in ein 80iger Jahre Rüschenmonster steckte, habe ich mit Julie die Flucht ergriffen.“

Ben lachte und fuhr sich mit der Hand durch seine dunkelblonden kurzen Haare.
„Ich habe meinen Anzug schon.“

Kat knurrte grimmig.„Du bist ja auch ein Mann. Lass mich raten. Du bist mit deinem Bruder zu einem Herrenausstatter und dreißig Minuten später wart ihr beide komplett für den großen Tag eingekleidet?“

Ben sah sie aus seinen braunen Augen an und zögerte mit der Antwort.Sie kniff ihm ins Bein und er lachte.

„Es waren vierzig Minuten.“

Kat verdrehte die Augen.„Das nächste Mal gehe ich mit Julie allein.“

Ben griff neben sich auf den Boden und hielt ihr eine Zeitung hin.
Sie riss sie ihm aus der Hand und feuerte die Zeitung auf den Rasen.

„Ich hab es bereits gesehen und finde es vollkommen übertrieben. Sie hätte nicht die halbe Seite dafür nehmen müssen.“

Ben zuckte mit den Schultern.„Du weißt doch wie sie ist.“

„Das hat Julie auch gesagt. Trotzdem bin ich sauer. Wie kannst du nur so ruhig bleiben?“

„Ich heirate sie ja schließlich irgendwie mit.“, war seine Antwort.„Du wirst schon sehen, nach der Hochzeit ist sie wieder friedlich. Sie liebt es nun mal alles zu organisieren.“

Kat war gerade nicht sicher über wem sie sich mehr ärgerte. Über ihre Mutter, die über ihren Kopf hinweg entschied, über Ben, weil es ihm nicht mal was aus machte oder über sich selber, weil sie das alles zu lies.

Sie stand auf und verschwand in der Küche. Sie brauchte Ablenkung und fing an das Abendessen zuzubereiten.Sie machte einen Salat und zerschnitt Paprika und Karotten.

Ben telefonierte in der Zwischenzeit mit einem Mandanten.Er war Anwalt und sie hatten sich an der Uni kennen gelernt.Ihre Familie war mit seiner Familie befreundet und als es ernster zwischen den beiden wurde, war ihre Mutter so erfreut über die Verbindung, als hätte sie im Lotto gewonnen.

Tief in ihrem Inneren wusste Kat auch warum.

Sie zog die Terrassentür zu und schaltete das Rado an.Der Moderator versuchte gute Laune zu versprühen und redete wie ein Wasserfall über neusten Hamburger Veranstaltungen.Danach tönte irgendein alter Schlager aus den Boxen und Kat war drauf und dran das Radio wieder auszustellen.

Der Salatkopf musste für ihre schlechte Laune herhalten und sie zerschnitt grob die Blätter.
Plötzlich wechselte der Sender den Song und sie musste lächeln.
„Der hält wohl seine eigens gewählten Songs selbst nicht aus.“, sagte sie leise zu sich selbstund im nächsten Moment nahm sie den Song bewusst war.

Trading yesterday, Nothing but love.
Vor ihren geistigen Augen liefen die Erinnerungen ab.
Der Urlaub, damals vor zehn Jahren.
Sie war 19. Sie hatte sich zuerst gewehrt mit zu fahren und dann wurde es der Sommer ihres Lebens.

Sie schloss die Augen und hatte sein Gesicht vor sich, so lebendig als wäre es gestern gewesen.
Der verrückte Kerl, der sie auf eine noch verrücktere Art und Weise nach einem Date fragte, nachdem sie ihm mindestens zehn Mal einen Korb gab.
Seine großen blauen Augen, die so viel mehr verbargen, als man auf den ersten Blick vermutete.
Sie hatte das Gefühl er würde wieder ganz nah hinter ihr stehen und ihr verrückte, anzügliche oder liebevolle Dinge ins Ohr flüstern um sie damit wahnsinnig machen.

Sie konnte seine Wärme förmlich spüren und ihr Herz schlug schneller.
Sie schnitt immer noch auf ihrem Salat herum und war mit den Gedanken tausende von Kilometern weit weg.

Als plötzlich eine Stimme hinter ihr sagte.„Was hat der Salat dir denn getan?“
Sie zuckte zusammen und schrie:
„Au! Verdammt!“

Sie hatte sich in den Finger geschnitten und hielt ihn nun über die Spüle, damit das Blut nicht ins Essen tropfte.
Ben suchte nach einem Pflaster und sie blicke gedankenverloren aus dem Fenster.

„Zehn lange Jahre. Was er wohl macht? Ob es ihm gut geht?“, waren die Gedanken die ihr in diesem Moment im Kopf schwirrten….




nothing but love
http://www.youtube.com/watch?v=gr6SmQCeeu4
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